Flüchtlinge in Dänemark vor dem 5. Mai 1945
Dänemark hatte von den deutschen Behörden den Befehl erhalten, für die Unterbringung der Flüchtlinge zu sorgen, die ankommen würden. Anfang 1945 wurden die meisten dänischen Städte von den Deutschen gezwungen, Flüchtlinge aufzunehmen. Dagegen protestierten die Dänen. Nur in einem Punkt leistete das offizielle Dänemark Hilfe, und zwar bei gewissen Formen ärztlicher Behandlung. Man hatte Angst vor Epidemien und behandelte einzelne Fälle ansteckender Krankheiten.
Die dänischen Ärzte wurden von den Deutschen um medizinische Hilfe für die oft stark mitgenommenen Flüchtlinge, unter ihnen viele Kinder, gebeten. Die Hilfe wurde aber nur in ganz wenigen Fällen geleistet. Der dänische Ärzteverband versuchte, den deutschen Arzthilfebedarf als Druckmittel bei den Verhandlungen für die Freilassung der dänischen KZ-Gefangenen einzusetzen. Abgesehen von einer kurzen Periode im März 1945 wurde den Flüchtlingen von dänischer Seite fast keine medizinische Hilfe gewährt.
Einige Dänen fassten die Flüchtlinge als eine Schar bedauernswerter vom Krieg vertriebener Menschen auf, während andere in ihnen “die Zweite Invasion” sahen.
Unter anderem forderten sie in Flugblättern dazu auf, sich den Flüchtlingen in keiner Weise zu nähern:
“DIE FLÜCHTLINGE –
– sind uns aufgezwungen worden. Es ist eine neue Form von Invasion. Sie haben kein Recht, hier zu sein; auch der Krieg gibt ihnen dazu kein Recht.
Am Anfang jammern sie und wollen Mitleid erwecken; bald aber fühlen sie sich wie zu Hause, werden frech und stellen Forderungen.
Sie kommen, während Hunderte unserer eigenen Landsleute zu Unrecht in deutsche Konzentrationslager verschleppt werden, in denen sie Tortur und Hunger ausgesetzt sind.
Haltet Abstand zu den Flüchtlingen! Unsere Heime sollen ihnen verschlossen bleiben. Meidet jedes, nicht aufgezwungene Gespräch mit ihnen! Meidet überhaupt jeden Umgang mit ihnen! Das betrifft natürlich auch den Tauschhandel mit Zigaretten und Lebensmitteln.
Wir fordern jeden guten Dänen auf, sich zu notieren, wer dieses Verbot übertritt.”
(Quelle: Det Kongelige Bibliotek)
Der Gesundheitszustand der Flüchtlinge war oft sehr schlecht. Die Folgen der Flucht waren Krankheit und Invalidität, und viele Flüchtlinge, besonders Kinder und Alte, starben während der ersten Monate in Dänemark. In den Behelfslagern herrschten schlechte sanitäre Verhältnisse. Ungeziefer, Krankheit und ein ständiges Suchen nach vermissten Angehörigen machten den Menschen zu schaffen. Dennoch waren die Flüchtlinge in relativer Sicherheit in Dänemark, denn hier gab es fast keine Schießereien und Bombardements, und trotz der mageren Kost verhungerte niemand.
Vor dem 5. Mai 1945 konnten sich die deutschen Flüchtlinge in Dänemark verhältnismäßig frei bewegen. Von der Besatzungsmacht erhielten sie ein Taschengeld; sie konnten somit in dänischen Geschäften einkaufen. Das löste allerdings oft Empörung bei den Dänen aus, denen in dieser Periode fast alles fehlte.
Als die Kapitulation dann eine Realität war, wurden die Flüchtlinge sofort in den Schulen und Lagern eingesperrt und von dänischen Freiheitskämpfern und Soldaten bewacht. Die meisten glaubten, dass es möglich sein würde, die Flüchtlinge – genau wie die deutschen Soldaten – schnell nach Deutschland zurückzuführen.
Dort waren die Städte jedoch vollkommen zerstört, und es fehlte an allem: Wasser, Lebensmitteln, Kleidung, Wohnmöglichkeiten. Es war den englischen und amerikanischen Besatzungsmächten einfach nicht möglich, 250.000 Menschen in einem Land unterzubringen, in das bereits Millionen aus dem Osten gekommen waren. Fast alle Deutschen in den Ostgebieten waren vertrieben worden, um für die Einwohner des neuen Polen Platz zu machen.
Die Flüchtlinge mussten also vorläufig noch in Dänemark bleiben. Die Regierung ernannte Johannes Kjærbøl zum Leiter des Flüchtlingsverwaltungsamtes. Die dänische Regierung beschloss, die Flüchtlinge so schnell wie möglich aus den großen Städten, aus den Schulen in große Lager in Wald- und Heidegebiete umzuquartieren. Deshalb wurden enorme Lager errichtet, z. B. das Lager “Kløvermarken” (auf Amager) mit Platz für 17.000 Menschen.
Vorhandene Lager wurden ausgebaut, wie das frühere Militärlager “Oksbøl” im Westen Jütlands, das zu diesem Zeitpunkt 36.000 Flüchtlinge beherbergte. Das Umquartieren wurde größtenteils im Laufe von 1945 bis Anfang 1946 durchgeführt. Somit konnten die meisten Schulen im Winter 1945-46 für den Unterricht wieder genutzt werden.